Bretonisches Sprichwort
Tief eingelassen stecken
schwernasse Meeresstämme
im Schlamm
wie abgestorbene wurzelhaltende
ins Fleisch getriebene
Zahnspangen
Wolken
sind
wie
Märchen
am
Himmel
Knips
mir den Sonnenuntergang
er ist so schön
knips
mir die Möwe
in ihrem Flug
schenk sie mir
sie ist so schön
so einmalig
schenk mir die Bilder alle
ich kleb sie ein
heb sie auf
leg sie dann
irgendwann
zu den anderen.
Tentakel der Großstadt
Fangarme die mich lassen
Großstadtbrandung ausgetauscht
unter grauem Himmel
meerwärts meditieren
mechanisch messerschaft
auf Eisenrädern
Wieder einmal Gezeiten erleben
Becher Meer mit Inselluft
Strudelbaden, Salzbrandung
und Meerwasser kraulen
für eine Woche sattle ich die Wellen
Letzte Luxuszitadelle
ich suche Obdach
auf einer Insel deren Form
einer Maschinenpistole ähnelt
sie schießt mir die geballte Ladung
Sauerstoff in meine Großstadtlungen
Hier ist endlich alles flach
Quecksilbrigkeit vor Zielen
unstet wuselt ein Nordlicht
Der Kopf dreht sich
von einer Sehnsucht zur anderen
Fleischeslust und Fernweh
flachgebürstet
Weideland mit
fleischigfleckigen Rindsbäuchen.
Wer fährt schon bis zum Schluß
mit mir bei diesem
grauen Himmel.
Tief eingelassen stecken
schwernasse Meeresstämme
im Schlamm
wie abgestorbene, wurzelhaltende
ins Fleisch getriebene
Zahnspangen.
Auf Messermuschelschneiden
ruht saftiger Meersalat
erschöpfter Blasentang.
Verloren zerrissen
abgelöst unhaltbar geworden
angeschwemmt
getrocknet
und versandet
wie bettelnd
nach oben gereckte Hände
die rostigen Nägel.
Was Schaumkronen
mir vor die Füße wälzen.
Hier eine Tomatensauce
Flaschenpost von Mac Donald's
eine Glasbirne hat das Glühen verloren
die ausgelaufene Milch
die kein Baby mehr ernährt
mit leeren Tüten ist kein Gewinn zu machen.
Ein schwarzes Tau
daran hat sich bestimmt einmal
ein Passagier erhängt
eine Klobürste quirlt im dünnen Pril.
Eine Medizinflasche über Bord geworfen
noch niemand aber
seine Gallensteine.
Der Wind blättert weiter
in Illustrierten aus Sand.
Sie ziehen wieder
windig abgewetzte Traumreiter
zerfasert am Grasrand
hängen wie in Lumpen vom Blau
entführte Tropfen
kennen wie die Möwen
keinen Wochentag
fliegen
und spielen Schach
mit ihren Schatten.
Wolken sind Märchen am Himmel
Gestalten aus Tropfen
emporgehoben
aus dem Tanz der Wellen
weiße Brandung atmet über Sand
und füllt die Spuren
deren lange Schatten
sich im späten Licht versammeln
hingetupfte Farben und ein
Windspiel im Dünengras.
Muscheln unter Abendwolken
Sturm aus tausend Wipfeln
Gitterstäbe Licht und Schatten
das Meer auf Silberkissen
trunken
die Möwe im letzten Sonnenglanz.
Von Gezeitengängen fortgewischt
was bleibt ist Druck und Spur
für Fährtensucher
und die Gewissheit dass ich da war
mit der Ferse eingegraben
wie viele andere
die entgegenkommen
sich entfernen
such ich mir nur die neuen
frischen Stellen
als Hinterlassenschaft
zwischen den Gezeiten.
alle Texte: (c) Kurt Bott
Kurt Bott
Am 5.8.1952 begann mein Lebenslauf. Blind ins Licht geholt. Schon am Start gebrüllt, geblieben. Gekrabbelt, gegangen, gelaufen. Das Leben blieb. Jetzt weit über der Mitte laufe, lache und weine ich immer noch in Köln, komme zurück, suche, finde, verliere. Das Leben bleibt. Der Weg: nach Hause. Die Suche: nach der Mitte, dem Herzen des Herzens, dem Ort, wo wir uns treffen.
Wenn es eine Brücke gäbe
zu dir
würde ich die Maut bezahlen
und mit ein wenig Handgepäck
hinüber reisen.
aus: 6 Richtige, Lyrik lebt / Band 2 / Hrsg. Elmar Färber / ferber-verlag Köln